Herzblättrige Caldesie (Herzlöffel), Caldesia parnassifolia
In der Exkursionsflora von Österreich (Adler, Oswald, Fischer; Verlag Ulmer) wird die Caldesie als
bei uns vermutlich ausgestorben angeführt.
Eine Suche an einigen in der "Flora von Mitteleuropa", Hegi 1906, angegebenen Vorkommen in der Steiermark und in Kärnten war schon vor vielen Jahren vergeblich. Auch die mehrtägige Suche an einem Standort in Kroatien in der Nähe von Kutina bei Zagreb (Lonjsko Polje) war erfolglos.
Die
meisten
laut Hegi
früher zahlreichen Standorte in Deutschland sind
erloschen.
Soweit bekannt,
gibt es in Deutschland nur mehr ein einziges Vorkommen im Charlottenhofer Weihergebiet in der Oberpfalz. Auch hier hätte man es beinahe geschafft, die Pflanze durch wasserbauliche Maßnahmen auszurotten.
Bei der Umwandlung eines größeren Sumpfgebietes in unzählige Fischteiche war ein kleines Fleckchen der Verlandungszone eines natürlichen Weihers übrig geblieben.
Die Fläche, durch einen aufgeschütteten Damm von einem riesigen Fischteich abgetrennt, ist nicht viel größer als 1000m². Hier fand ich die Caldesie bei meinem ersten Besuch vor Ort.
Links
: Naturstandort im Charlottenhofer Weihergebiet, Bayern, BRD.
Die
kleinen
hellen
Flecken
neben
den
Seerosenblättern
sind
Schwimmblätter
von Caldesia
parnassifolia.
Die Pflanzen wachsen in diesem Weiher in knietiefem Wasser und vermehren sich wahrscheinlich ausschließlich durch Turionen ("Winterknospen"), da sie wegen der relativ großen Wassertiefe und der Beschattung durch den Waldrand kaum zur Blüte kommen.
Bei meinem zweiten Besuch Mitte September 2003 war im angrenzenden Fischteich das Wasser zum Ausfischen abgelassen und infolge des wasserdurchlässigen Dammes (Steinschüttung) auch der Caldesienweiher völlig OHNE Wasser ! (Bild rechts)
Von den CALDESIEN war nichts mehr zu sehen !
Auch hier : PROFIT vor Naturschutz ! Dem Münchner Botanischen Garten war von der Naturschutzbehörde die Erlaubnis verweigert worden, auch nur einige wenige Pflanzen zu entnehmen !!! Sollte ich diesen Schriftverkehr in meinen Papieren finden, werde ich mir erlauben, diese Kuriosität behördlicher Anmaßung und Realitätsferne an dieser Stelle zu veröffentlichen!
WEHE, man "entführt" auch nur ein einziges Turion; der profitablen Teichwirtschaft allerdings ist der Naturschutz natürlich nachgeordnet.
Glücklicherweise entdeckte ich (rechtes Bild) noch ein zweites, weit größeres Vorkommen in der Verlandungszone eines Weihers mit anschließenden Fischteichen, ebenfalls durch aufgeschüttete Dämme von diesem Juwel von einem Verlandungsmoor abgetrennt.
Hier sah ich erstmals vor Ort Pflanzen mit Samenständen, wohl infolge des besonders warmen Sommers. Immerhin liegen die Standorte für diese wärmebedürftige Pflanze an die 400 m hoch !
In der Bucht rechts im Bild folgt auf tieferes Wasser ein lückenhafter Polsterseggenrasen mit eingestreuten Caldesien (Bild rechts unten), die allerdings auch längs des gesamten Ufers, tiefes Wasser meidend, zum Teil sogar emers wachsen.
Bild links : submerse Caldesien mit bereits absterbenden Blättern Mitte September, während emers wachsende Pflanzen zur gleichen Zeit noch grün waren.
Es schließt ein Sphagnummoor an mit Drosera (Sonnentau).
Bilder links und unten: Impressionen im Sphagnummoor am frühen Morgen
Trotz zweier Tage weiterer Suche gelang es nicht, in ähnlichen Biotopen Caldesien aufzuspüren. Warum, ist mir unbegreiflich! Ich habe mir erlaubt, einige geeignet erscheinende Weiher mit Turionen zu "impfen"!
Die Fischteiche weisen durch Kalkung einen ph-Wert von 7,1 - 7,6 auf, im Gegensatz zum ph- Wert des Wassers im Caldesia- Weiher von 6,4 , und eignen sich deshalb wahrscheinlich für die Pflanze nicht.
Da die Caldesie selbst in Spezialsammlungen Botanischer Gärten nicht oder nur mit mäßigem Erfolg gepflegt wird, ist es für die Liebhaber von Sumpf- und Wasserpflanzen
an
der Zeit, sich dieser Pflanze speziell zu widmen, um ihren Fortbestand zu sichern
und
sie
an
geeigneten Gewässern,
so es diese überhaupt noch gibt, wieder anzusiedeln.
Kulturanleitung
aufgrund
meiner
bisherigen Erfahrungen
Substrat
:
mit
gutem
Erfolg
verwende
ich
eine
Mischung
aus
gedämpftem Fischteichschlamm
und
kalkfreiem
Sand
1:1.
Darauf
werden
die Turionen
im
Frühjahr
aufgelegt,
der
Wasserstand
wird
knapp
unter
der
Substratoberfläche
gehalten. Nach einiger Zeit senden die Turionen Würzelchen ins Substrat, und später erscheinen die ersten Blättchen. Hier heißt es geduldig warten, da die Entwicklungszeit länger dauert !
Kultur,
Pflege
:
die
wärmebedürftigen
Caldesien
sind bei uns
vom
Frühjahr
bis
weit
in
den
Sommer
im
gut lüftbaren,
sonnig
gelegenen
Gewächshaus
untergebracht.
Jede
Pflanze
blüht,
oft
mit
mehr
als
einem
Blütenstand, doch ist in klimabegünstigten Lagen bis höchstens 500mHöhe auch eine Kultur im Freiland erfolgreich. Gegossen wird ausschließlich mit Regenwasser.
Nach
der
Blüte
setzt
die
Samenreifung
ein. Manche Schäfte tragen zusätzlich zu den Blüten auch schon einige Turionen.
Danach beginnen die Pflanzen bis zu vier zusätzliche Schäfte zu treiben, die allerdings nicht senkrecht, sondern horizontal wachsen und nurTurionen tragen.
Etwas vorher schon erhöhe ich den Wasserstand auf etwa 5 cm über der Substratoberfläche,
wo
die
reifen Turionen ins Wasser abgesetzt werden. Es ist aber durchaus möglich, Caldesien bei höherem Wasserstand (knietiefes Wasser habe ich am Naturstandort beobachtet ) zu pflegen, wo dann Schwimmblätter ausgebildet werden .
Bei Glashauskultur besteht ab Mitte Sommer erhöhte Gefahr des Auftretens von Blattläusen und Mehltau. Es empfiehlt sich, die Pflanzen vorher ins Freiland zu bringen (Vorsicht, langsame Gewöhnung an das UV-Licht, sonst gibt es Verbrennungen !).
Gegen Herbst beginnen sich die Blätter braun zu färben, die Mutterpflanzen beginnen zu faulen. Manche hinterlassen bis zu 5 cm lange Turionen(? ) , die dem "Herzen" der Mutterpflanzen entstammen und nicht auf Schäften gebildet werden. Die Caldesie wird in der botanischen Literatur als ausdauernd beschrieben. Trifft dies noch zu, wenn Mutterpflanzen bis auf die Turionen verfaulen ?
Überwinterung
der
Turionen
:
keine
Verluste
bisher
bei
Überwinterung
im
Freien
in
einem
mit
einem
Netz
verschlossenen
Gefäß unter der Eisdecke. Dass auch Kühlschranküberwinterung (4°C, unter Wasser natürlich !) bei völliger Dunkelheit ebenso erfolgreich ist, hat Dr. Lubomir Adamec bewiesen. Ob auch Einfrieren der Turionen diesen nicht schadet, weiß ich noch nicht.
Samenkeimung
: trotzdem die Samen ein wohlausgebildetes Endosperm aufweisen, wurde eine Samenkeimung bisher von uns nicht beobachtet ! Da sich die Pflanze durch reichlich ausgebildete Turionen erhält, stellen die Samen nach Meinung des Botanikers Dr. Lubomir Adamec , Trebon, Czech. Rep., wohl nur eine Strategie dar, besonders ungünstige Lebensbedingungen längere Zeit zu überdauern und den Fortbestand für Zeiten zu sichern, wo wieder günstigere Bedingungen herrschen. Es bedarf noch der Forschung um herauszufinden, ob Austrocknung über einen längeren Zeitraum, Frost oder anderes, mögliche auslösende Faktoren der Keimung sind. Aus einer chinesischen Arbeit weiß ich, dass eine Samenkeimung von Caldesia grandis, einer bedrohten Art Chinas, bisher nicht beobachtet wurde und bei der dort ebenfalls vorkommenden Caldesia parnassifolia eine Seltenheit darstellt !
Mich freut es ungemein, dass eine sichere Kultur, Pflege und Vermehrung dieser besonderen, gefährdeten, vom Aussterben bedrohten Rarität unserer Flora in Menschenhand möglich ist, auch wenn noch nicht alle Geheimnisse
dieser interessanten Pflanze erforscht sind.
Möge sie für bessere Zeiten überdauern, bis einmal die Interessen des Naturschutzes nicht mehr der Profitgier mit ihrem fortschreitenden Landschaftsverbrauch und Nutzungsdruck nachgeordnet sein werden !
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last modified 12. 02. 2021